Es war nicht das einzige Thema. Aber es war ein klarer Schwerpunkt: In seinem Bericht an die Landessynode 2016 schaute Präses Manfred Rekowski vor allem auf das Jahrhundertthema Flucht, Migration und Flüchtlingsarbeit.
Während Jordanien, Libanon, Türkei schon länger Zufluchtsorte sind, ist seit Monaten auch Deutschland Anlaufstelle geworden für Menschen, die vor Krieg, Unterdrückung, Verfolgung fliehen. So sei Deutschland zu einem „Ort der Hoffnung“ für Flüchtlinge geworden, so der Präses.
Der Präses benannte die „unerträglichen Lebensverhältnisse“ in Syrien, Afghanistan, Eritrea, Irak, die „absolute Perspektivlosigkeit“ in Lagern in Libanon, Nordirak, der Türkei, die unhaltbaren unmenschlichen Zustände im Mittelmeer. Das alles habe uns lange nur selten unmittelbar berührt. Der Umgang mit Flüchtlingen in Italien und Griechenland komme „schuldhaft unterlassener Hilfeleistung“ gleich. Lampedusa und Lesbos waren eine „ferne Welt“. Das ist heute anders. Rekowski: „Nun ist ein Weltproblem zu unserem Problem geworden.“
Flucht sei für die betroffenen Menschen eine Katastrophe, sagte der Leitende Geistliche der Evangelischen Kirche im Rheinland in seinem „Bericht über die für die Kirche bedeutsamen Ereignisse“. Er weigere sich, von einer „Flüchtlingskrise“ zu reden. Zu sprechen sei sehr wohl von einer „europäischen Krise“. Und scharf: Europa sei mehr als „ein überdimensionierter Förderverein zur Rettung maroder Banken“, müsse aber Wertegemeinschaft sein.
Fluchtursachen beseitigen
Als „unwürdiges Jubiläum“ bezeichnete der Präses die 45 Jahre nicht erreichte Absicht, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben. Armut zementiere sich – statt Fluchtursachen nachhaltig zu beseitigen.
Stichwort Fluchtursachen: Rechtsfreie Räume, Verlust von Staatlichkeit, Diktaturen, Terror, Bruch von Menschenrechten – auch sie trieben Menschen in die Flucht. Wie auch eine verfehlte Klimapolitik und eine Wirtschaftspolitik, die auch auf Waffen setze. Direkt oder auf verschlungenen Wegen trügen auch deutsche Waffen zur Verschärfung von Fluchtursachen bei. Der Präses: „Flucht trägt das Label ,Made in Germany‘.“ Beifall von Synodalen.
Obergrenze für populistische Parolen
Kritisch schaute Präses Rekowski, der eine „Obergrenze für populistische Parolen“ forderte, auch auf das „nicht durchgängig vom Hoch der Willkommenskultur“ geprägte hiesige Klima. „Es gab und gibt auch destruktiv wirkende Tiefs“, sagte er mit Blick auf nahezu tägliche Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und den Mordanschlag auf die heutige Kölner Oberbürgermeisterin. Er stellte klar: Wer denen folge, die Galgen durch Straßen führen, wer mitlaufe, „ist dann auch für die gewalttätigen Folgen von Verbalradikalismus verantwortlich“.
Kurz ging Rekowski auch auf die Überfälle in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof ein, trotz unabgeschlossener Ermittlungen: „Es darf nicht ansatzweise rechtsfreie Orte geben. Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit muss mit allen Mitteln des Rechtsstaates entgegengetreten werden, von wem auch immer die Gewalt ausgeht.“
Gott hat nur eine Menschenfamilie
Der Präses, der in seinem Bericht auch innerkirchliche Fragen und das Reformationsjubiläum 2017 ansprach, dankte Zivilgesellschaft, Kirchengemeinden, Kirchenkreisen und Diakonie für Flüchtlingshilfe. Und bestärkte dieses Engagement: „Nächstenliebe und Gottesebenbildlichkeit sind nicht begrenzbar.“ Gott habe nur eine Menschenfamilie, er kenne nur Verwandte.
In der Aussprache wurde dem Präses für seine Ausführungen gedankt, ging es noch einmal um den Satz der Bundeskanzlerin: Wir schaffen das. „Vielleicht wäre es sonst nicht so gut gelaufen“, meinte Superintendent Christian Weyer (Saarbrücken). Er ermutigte dazu, Probleme in der Flüchtlingsarbeit nicht zu vertuschen, sondern offen zu legen. „Sonst schaffen wir’s nicht.“
Der Bericht des Präses im Wortlaut als PDF zum nachlesen…
Präsesbericht im Video Teil 1 und 2
Wie wir herausgefordert werden
Präsesbericht im Video Teil 3 und 4
PM ekir.de, Anna Neumann, Foto: Hans-Jürgen Vollrath