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Johanniskirche

Ev. Johanniskirchengemeinde Bonn-Duisdorf

Osterbrief an die Gemeinde

Foto: B.Goddon

Liebe Gemeindemitglieder,

nun sind wir in den April gestolpert und stehen vor der Karwoche. Seit 75 Jahren, seit 30 Jahren kennen wir eine stete Zunahme an Freiheitsrechten, Wohlstand, Sicherheit – kurz: „Schalom“!

Im März 2020 sind wir plötzlich medizinisch, politisch und medial auf neue Verhältnisse eingestimmt worden. Wegen der Corona-Pandemie brauchen die staatlichen Organe alle Befugnis, um uns vor unserer eigenen Freizügigkeit zu schützen, damit möglichst viele überleben. Die einen fügen sich gern und vertrauen den Entscheidungsträger_innen, andere befürchten einen Rückfall in autoritäre Strukturen und dass Überwachungsstrategien bleiben werden aus dieser schwer einzuschätzenden Gegenwart. Kontrollverlust macht Angst, ethische Dilemmata verunsichern. Wachsam bleiben, aber nicht in Verschwörungstheorien abdriften, scheint mir das Gebot der Stunde zu sein.

Die Bibel kennt sich aus mit Plagen, mit ansteckenden Krankheiten, mit Kreuzen, die Menschen zu tragen haben, mit Gefangenschaft und Prophetie. Aber auch mit Freiheit, Furchtlosigkeit und Hinwendung zu den Kranken. Ich habe mir die Geschichten über die ansteckenden Aussätzigen noch einmal angeschaut: … die standen von ferne und erhoben ihre Stimme: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser! (Lk 17,12f.) Es gab also Abstand, typisch für den Evangelisten Lukas, der vielleicht Arzt war.
Jesus selbst scheint kaum Berührungsängste gehabt zu haben und hält sich im Hause Simons des Aussätzigen auf – unmittelbar vor der Kreuzigung. Die Gesundung von Gebrechen ist ihm ein Zeichen für das anbrechende Reich Gottes (Mt 11,5f.), aber die Schöpfung hat sich bis heute noch nicht vom Chaos befreit.

Ich möchte Sie nicht dazu anstiften, gegen den Rat der heutigen Medizin und der staatlichen Verfügungen, unvorsichtig zu sein. Aber die Entscheidungen eines Christenmenschen sind eben nicht nur diesen beiden Instanzen, sondern vor allem dem eigenen Gewissen verpflichtet. Das Me-first zu relativieren, uns auch in der Not von der Liebe leiten zu lassen, vom Schutz des Lebens, von der Fürsorge für die Nächsten, das ist christlich. Und dass Sie genau wissen, was das für Ihr konkretes Verhalten bedeutet, traue ich Ihnen zu. Bleiben Sie mündig!

In evangelikalen Kreisen wird die Corona-Pandemie als Strafe Gottes gehandelt. Mir ist sie eine Herausforderung zum Umgang mit Ängsten und eine Anstiftung zur Nächstenliebe. Die Zwangspause kann eine große Chance sein für Mensch und Natur. Wir begreifen unsere Endlichkeit wieder, unsere Theologie und Ethik gewinnt an Tiefe und alles Lebendige genießt eine Menschheit,
die sich zurücknimmt. Der Karfreitag steht noch bevor. Und unsere Auferstehung als eine neue Menschheit ist schon in Sicht! Das Kreuz wird nicht das Letzte sein, was über den Heiland und
über uns selbst zu sagen ist.

Ihre Pfarrerin Dagmar Gruß

Osterbrief 2020 mit ergänzenden Informationen für die Kar- und Osterzeit (pdf)

Geschrieben von Bärbel Goddon am 07. April 2020

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